Im Spiegel
Früh- und Spätwerk bei Johannes Brahms
Johannes Brahms:
Drei Intermezzi op. 117
Sechs Klavierstücke op. 118
Variationen über ein eigenes Thema op. 21
Klaviersonate Nr. 2 fis-Moll op. 2
Denkt man an die Klaviermusik von Johannes Brahms, überkommt einen meist Melancholie. Das liegt daran, dass wir vor allem seine letzten Klavierwerke im Ohr haben: die Intermezzi op. 117 und die Sechs Klavierstücke op. 118, von denen vier ebenfalls als Intermezzi betitelt sind. Sogar das sechste und dunkelste, in der Untergangstonart es-Moll, ist bloß ein „Zwischenspiel“. Wie Beethovens Bagatellen sind auch diese Intermezzi reines Understatement, hier das Verbergen hinter einer als heillos verlassen empfundenen Existenz. In den Intermezzi op. 117 geht es vordergründig um Wiegenlieder, aber Brahms charakterisiert sie genauer als „Schlaflieder meiner Trauer.“ Ein anderes Brahmsbild vermittelt seine zweite Klaviersonate, die chronologisch die erste ist. Hier ist ein jugendlicher Berserker am Werk, der dem Flügel sinfonisch ausladende Ecksätze zumutet und dafür beim Interpreten Hypervirtuosität voraussetzt. Die Faktur ist so zerklüftet, als wolle Brahms sein Erbe in Stücke hauen. Und doch gibt es eine Verbindung zum Spätwerk: dem Andante liegt der Text eines Liedes zugrunde, das „Winterlied“ des Schweizerischen Minnesängers Kraft von Toggenburg. Es ist die Trostlosigkeit dieser kahlen Winterlandschaft, die sich später in den Intermezzi als Grundbefindlichkeit herauskristallisiert.
Hardy Rittner, Hammerflügel von Johann Baptist Streicher, Wien 1864
Hardy Rittner ist unser Mann für Johannes Brahms, denn ihm kommt das Verdienst zu, erstmals das gesamte Solo-Klavierwerk des Komponisten auf originalen Instrumenten von Johann Baptist Streicher und Ignaz Bösendorfer aufgenommen zu haben. Mit der Aufführungspraxis des 19. Jahrhunderts setzt sich Rittner auch wissenschaftlich und philologisch auseinander. Seine bei Bärenreiter erschienene Doktorarbeit hat den Titel “Die vergessene Kantilene. Frédéric Chopins missverstandene Virtuosität“ und stellt die Chopin-Interpretation auf eine neue, historisch begründete Stufe. Seine Expertise spiegelt sich in neuen Chopinausgaben wider, die er durch Hinweise zur Aufführungspraxis und mit Fingersätzen nach historischem Vorbild maßgeblich mitgestaltet. Hardy Rittner lehrt als Professor für Klavier und künstlerische Forschung an der Hochschule für Musik Freiburg, konzertiert und gibt Meisterkurse im In- und Ausland.